Thematische Ausrichtung:
Als Kollektiv gegen Antisemitismus arbeiten wir schwerpunktmäßig zu den Themen (linken) Antisemitismus/Antizionismus, Rassismus und Islamismus – lehnen aber auch alle anderen Herrschaftsverhältnisse ab und können uns auch vorstellen unsere Themenfelder zu erweitern.
Aktionsformen:
Wir organisieren Veranstaltungen wie zuletzt im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Antisemitism Never Left“. Organisieren aber auch mal eine Kundgebung wie am 7. Oktober und in Zukunft vielleicht auch mal eine Demonstration. Wir machen Bündnisarbeit, lesen & schreiben Texte, organisieren Partys, sammeln Solikohle und malen Transparente.
Einsteiger*innenfreundlichkeit:
Grundsätzlich sind alle erst mal bei uns willkommen, die sich in unserem Selbstverständnis einigermaßen wiederfinden (das könnt ihr weiter unten lesen).
Gruppenform:
Autonome & antiautoritäre Kleingruppe, die nach dem Konsensprinzip Entscheidungen trifft.
Offen für:
Alle Menschen, die an emanzipatorischer gesellschaftlicher Veränderung interessiert sind und beim Thema Antisemitismus besonderen Handlungsbedarf sehen.
Kontaktmöglichkeit:
E-Mail: koga-hannover@riseup.net
Insta: @koga_hannover
Social Media:
Insta: @koga_hannover
Gruppenbeschreibung:
Stand: 12.07.2025
Wir haben uns als Gruppe zusammengefunden, weil uns die gesellschaftlichen Entwicklungen bereits vor, aber insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 zutiefst beunruhigen. Das unsolidarische Verhalten großer Teile der radikalen Linken, die Rechtfertigungen für das unfassbare antisemitische und misogyne Massaker, der weltweite Hass auf Israel und der enorme Anstieg antisemitischer Gewalt haben uns dazu veranlasst, uns gemeinsam gegen diese Verhältnisse zu organisieren.
Unsere Gruppe ist überwiegend nicht-jüdisch; einige von uns haben jüdische Familienbezüge. Niemand von uns ist von Rassismus betroffen. Wir verorten uns in der emanzipatorischen, antiautoritären Linken. Wir kritisieren jede Form des Antisemitismus, den israelbezogenen Antisemitismus innerhalb der globalen Linken ebenso wie die Verengung des Antisemitismusbegriffs durch die „Jerusalem Declaration“ und die weitestgehend unhinterfragte Gojnormativität der deutschen Linken.
Projektion & Verdrängung von Antisemitismus
Seit dem 07. Oktober hat Antisemitismus auf der ganzen Welt wieder massiv zugenommen, hier in Deutschland und in ganz Europa. Dabei waren christlicher Antijudaismus und moderner Antisemitismus schon immer Bestandteil europäischer Geschichte. Im Nationalsozialismus wurden Jüdinnen_Juden für sämtliche Irritationen der Moderne verantwortlich gemacht. Als Sündenbock für die abstrakten gesellschaftlichen Verhältnisse wurden sie zum »Anti-Volk« stilisiert, das die »Volksgemeinschaft« zersetzen würde. Im antisemitischen Weltbild werden Jüdinnen_Juden als übermächtig imaginiert und zum Ausgangspunkt verschiedenster Verschwörungsideologien gemacht. Der antisemitische Wahn wird von einem Vernichtungswillen begleitet, der in der Shoah ihresgleichen gesucht hat.
Das Ende der Shoah und der Sieg über den Nationalsozialismus war nicht das Ende des Antisemitismus. Kontinuitäten existieren bis in die Gegenwart.
Obwohl Antisemitismus bis heute nachweislich alle gesellschaftlichen Milieus durchzieht, hat sich im öffentlichen Diskurs das Narrativ des »importierten Antisemitismus« verfestigt. Dieses wird genutzt, um rassistische Ausgrenzungspolitik zu verschärfen und Asylrechte weiter abzubauen. Pro-palästinensischen Demonstrationen wird dabei oft mit heftiger Repression begegnet. Diese externalisierende Projektion auf „die Anderen“ hat dazu beigetragen, dass sich seit dem 7. Oktober nicht nur antisemitische, sondern auch rassistische Denkmuster noch stärker in der Gesellschaft verankert haben.
Es ist uns ein zentrales Anliegen, die Kritik an Antisemitismus, Rassismus und Islamismus nicht gegeneinander auszuspielen, sondern verschiedene Formen von Unterdrückung zu erkennen und zu bekämpfen.
Unsere Solidarität gilt allen, die von Antisemitismus, Rassismus und Islamismus betroffen sind – auch wenn dies bedeuten kann, sich mit Widersprüchen auseinandersetzen zu müssen. Wir wollen uns nicht mit schablonenhaftem Denken zufriedengeben oder in selektive Solidarität verfallen. Unsere Kritik bleibt universell.
Kein Frieden mit Islamismus
Die politische Ideologie des modernen Islamismus hat die Errichtung eines islamischen Gottesstaats zum Ziel, der auf einer vermeintlich gottgegebenen, totalitären Werteordnung aufbaut und der sich alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterzuordnen haben. Damit steht die Ideologie des Islamismus den Idealen von Freiheit und Individualität konträr gegenüber.
In einigen islamistischen Strömungen rechtfertigt der Dschihadismus dabei äußerste Gewalt gegen „Ungläubige“, wie uns der Genozid an den Jesidinnen_Jesiden durch den Islamischen Staat deutlich vor Augen geführt hat. Auch wenn das Kalifat des IS nicht zuletzt dank des kurdischen Widerstands vorerst zerschlagen werden konnte, sind heute immer noch viele Menschen im Nahen Osten vom Islamismus bedroht.
Auch der islamische Antijudaismus und der islamistische Antisemitismus in der Region, der bis heute maßgeblich vom modernen Antisemitismus aus Europa und insbesondere Deutschland geprägt ist, nimmt kein Ende. Hamas, Hisbollah, Huthi und das iranische Mullah-Regime zeigen ihren antisemitischen Vernichtungswahn ganz offen. Jüdische Selbstbestimmung ist in ihrem Weltbild grundsätzlich nicht vorgesehen. Nach einer langen Geschichte von Flucht und Vertreibung gibt es in den arabischen Staaten und im Iran heute nahezu keine jüdischen Communities mehr.
Wir dürfen die Perspektiven derjenigen nicht aus den Augen verlieren, die am meisten von Islamismus betroffen sind: Jesidinnen_Jesiden, Kurdinnen_Kurden, Drusinnen_Drusen, Jüdinnen_Juden, Suryoye und viele andere religiöse und ethnische Minderheiten – ebenso wie andersdenkende Musliminnen_Muslime, FLINTA* und queere Menschen in Ländern, wie dem Jemen, Syrien oder Iran. Unsere Solidarität gilt allen, die unter islamistischen Regimen und dschihadistischem Terror leiden und für Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen.
Der Kampf gegen Islamismus darf nicht denjenigen überlassen werden, die aus rassistischen Motiven politischen Islamismus und islamischen Glauben gleichsetzen. Jedem Versuch, den Islam als Religion zu delegitimieren und Ängste vor einer vermeintlichen Überfremdung zu schüren, stellen wir uns konsequent entgegen. Antimuslimischer Rassismus kann niemals Teil einer progressiven Islamismuskritik sein.
Zum Krieg und der fehlenden internationalen Solidarität
In Israel/Palästina herrscht ein furchtbarer Krieg, der bereits viel zu viele Opfer gefordert hat. Seit über 600 Tagen hält die Hamas Menschen als Geiseln in Tunneln fest, foltert und ermordet sie. Sie versteckt sich bewusst hinter ziviler Infrastruktur, bereichert sich an humanitären Hilfslieferungen, unterdrückt jegliche Opposition mit äußerster Gewalt und instrumentalisiert das Leid der palästinensischen Bevölkerung
Gleichzeitig wirkt die Kriegsführung der israelischen Regierung losgelöst von den Zielen, die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien. Die zivilen Opfer, die maßlose Zerstörung in Gaza und die Unterbindung humanitärer Hilfe sind nicht hinnehmbar und müssen sofort ein Ende haben. Alle Menschen in Gaza, im Westjordanland und in Israel haben ein Leben in Sicherheit, Freiheit, Würde und Selbstbestimmung verdient.
Mit großer Sorge beobachten wir zudem, wie rechte Regierungsparteien in Israel demokratische Institutionen schwächen, die palästinensische Bevölkerung entmenschlichen und Hass gegen Minderheiten schüren. Außerdem lehnen wir die zunehmende Repression gegen Antikriegsdemonstrationen, bei denen Angehörige von Geiseln, Linke, Pazifist_innen und Menschenrechtsorganisationen kriminalisiert und eingeschüchtert werden, entschieden ab.
Umso unverständlicher erscheint uns die fehlende Solidarität mit der israelischen Linken und der Friedensbewegung, die sich trotz des massiven Drucks für ein Ende der Gewalt und eine politische Lösung einsetzt. Diese Leerstelle offenbart eine gefährliche Schieflage in linken Diskursen über Israel und Palästina.
Zur Instrumentalisiserung postkolonialer Theorie
Diese Leerstelle hängt auch mit der antisemitischen Instrumentalisierung postkolonialer Theorien zusammen, mit Hilfe derer Israel als koloniales Siedlerprojekt dargestellt wird. Solche Narrative blenden nicht nur die historische Verfolgung und Entrechtung jüdischer Gemeinschaften weltweit aus, sondern verkennen auch die antikoloniale, widerständige und indigene Dimension jüdischer Selbstbestimmung im Nahen Osten. Postkoloniale Theorie wird hier oft selektiv und entkontextualisiert verwendet – auf eine Weise, die jüdische Geschichte unsichtbar macht und jüdische Subjekte systematisch aus der Erzählung von Widerstand, Exil und Rückkehr ausschließt.
Gleichwohl ist es wichtig anzuerkennen, dass es sowohl in der israelischen als auch in der arabisch-palästinensischen Geschichte Praxen der Verdrängung, Verfolgung, Vertreibung, rassistischer und antisemitischer Diskriminierung gegeben hat und gegenwärtig gibt.
Deutungen, die die Komplexität der Situation ausblenden, reproduzieren Ausschlüsse, die letztlich selbst koloniale Logiken fortschreiben.
Wir sehen keinen Widerspruch darin, uns gleichzeitig für jüdische und palästinensische Selbstbestimmung, Sicherheit und Freiheit einzusetzen – im Gegenteil: Eine konsequent emanzipatorische Haltung verlangt genau das.
Für eine solidarische, antiautoritäre Linke
Polarisierung und eindimensionale Parteinahme werden der Komplexität der politischen Realität nicht gerecht. Der Krieg und der Konflikt um Israel und Palästina werden in der internationalen Linken zunehmend instrumentalisiert. In vielen linken Debatten dient der Konflikt als Projektionsfläche für ideologische Gewissheiten – häufig ohne Bezug zur konkreten Realität vor Ort. In diesen Debatten gibt es zudem oft kein Bewusstsein dafür, dass sich Menschen, die in direkterer Weise von dem Konflikt betroffen sind, auch in den eigenen Reihen befinden. Statt ihnen zuzuhören, werden bewusst und unbewusst immer wieder eindeutig antisemitische und/ oder rassistische Rhetorik und Symboliken genutzt.
Antisemitismus findet sich in allen Linken Bewegungen. Besonders sichtbar wird das in Klimakämpfen, (queer)-feministischen oder anti-imperialistischen Räumen. Hier begegnen wir immer wieder den historisch nicht haltbaren Erzählungen vom Kolonialstaat Israel. Gleichzeitig gibt es, wie in der gesamten Gesellschaft, oft eine implizite Gleichsetzung von Jüdinnen_Juden und Israel, bei der die Komplexität dieses Verhältnisses und die tatsächlichen Betroffenheiten übergangen werden. Das bedeutet in der Konsequenz, dass jüdische Menschen aus linken Kämpfen gedrängt werden und in linken Räumen oft nicht mehr sicher sind. Das trifft besonders jüdische Menschen, die auch in anderen Bereichen marginalisiert sind und beschneidet ihre Möglichkeiten, für sich selbst einzustehen.
Uns ist wichtig zu betonen, dass auch unabhängig vom Nahost-Konflikt antisemitische Stereotype und Muster in linken Räumen, aber auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, verbreitet sind. Zudem besteht häufig kaum Bewusstsein für die Herausforderungen, die mit jüdischen Lebensrealitäten verbunden sind.
Als Teil der antiautoritären Linken solidarisieren wir uns mit Organisationen wie Standing Together und Women Wage Peace, in denen Menschen mit verschiedenen Betroffenheiten und Hintergründen gemeinsam für eine friedliche Koexistenz kämpfen. Mit der Bewegung der Geisel-Angehörigen in Israel, die gegen den Krieg und für die Freilassung der Geiseln demonstrieren. Mit Palästinenser_innen in Gaza, die den Mut aufbringen, gegen die autoritäre Herrschaft der Hamas zu protestieren. Und mit Feminist_innen im Westjordanland, die sich sowohl gegen patriarchale Zumutungen durch islamisches Recht als auch gegen die rassistische Politik des israelischen Staates und der zunehmenden Gewalt rechter Siedler_innen zur Wehr setzen.
Wir stehen für eine antiautoritäre Neuausrichtung linker Politik. Wir weisen eindimensionale Erklärungen für komplexe Realitäten zurück. Wir wollen antinationale Perspektiven erarbeiten ohne Israel als Zufluchtsort für Jüdinnen_Juden vor dem weltweiten Antisemitismus in Frage zu stellen.
Unsere Hoffnung bleibt eine radikale Linke, die Antisemitismus nicht aus dem intersektionalen Denken ausklammert, sondern ihn als Teil verwobener Herrschaftsverhältnisse ernst nimmt.
Unser Ziel bleibt eine Welt, in der alle ohne Angst verschieden sein können.
